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Erinnerungen an
Weihnachten nach dem Krieg
Von Gerda Onorato ![]() |
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Meine Eltern und
ich hatten das große Glück nicht in die Fremde zu müssen,
sondern konnten bei der Familie meiner Mutter unterkommen,
die in einem kleinen Dorf im nördlichen Saarland wohnte. Es
wurde zusammengerückt - das war für die Erwachsenen sicher
nicht immer angenehm. Für mich war es wunderbar – hatte ich
doch meine Mama, die Großeltern, zwei Tanten, vier Cousins
und eine Cousine nicht nur in einem Ort, sondern in zwei
Häusern nebeneinander alle beisammen. Die drei Väter waren
anfänglich noch in Kriegs-gefangenschaft, kehrten aber bis
auf einen - der bis heute als vermisst gilt -
im Laufe des Jahres 1946 wieder heim.
Mein Großvater betrieb unter Mithilfe der Frauen (seiner 3
Töchter, von denen eine meine Mama war) und meiner Oma,
eine kleine Landwirtschaft mit zwei Kühen, zwei
Schweinen, einer Ziege, sowie einigen Hühnern und bestellte
ein paar
Felder. So hatten wir schon mal immer alle satt zu essen!
Außerdem arbeitete Opa in der Forstverwaltung, so dass auch
immer genügend Holz zum Heizen da war und -
darüber hinaus -
auch noch genügend Holz um es eventuell
gegen fehlende Dinge oder Dienstleistungen
einzutauschen. Zum
Schmieren, wie man das nannte. So konnte man z.B.
den Müller veranlassen, einen oder zwei Sack Korn zu mahlen
oder den Metzger überreden, ins Haus zu kommen und eine Wutz
„schwarz“ zu schlachten und ähnliches mehr.
Es muss in dem sehr kalten Winter 1946/47
gewesen sein; draußen fror es Stein und Bein. Morgens zur
Schule musste jedes Kind, so möglich, ein Stück Holz oder
ein paar Kohlen mitbringen, damit der Schulsaal besser
geheizt werden konnte. Mittags nach den
Hausaufgaben gluckte ich mit meinem Cousin Herbert zusammen,
der mit mir in die zweite Klasse ging. Wir drückten uns die
Nasen an Omas Küchenfenster platt und hauchten Gucklöcher in
die Eisblumenmuster. Wenn das Wetter es zuließ, mussten wir
draußen spielen. Wir machten Schneeballschlachten mit
anderen Kindern, schlimmerten auf Eisbahnen oder durften
auch schon mal mit Freunden, die noch einen Schlitten
hatten, mitfahren. Wenn sehr schlechtes Wetter war, durften
im Haus von Herberts Mama in einem unbewohnten Zimmer
spielen, das als Rumpelkammer bekannt war, und wo allerlei
alte Möbelstücke und Werkzeuge herumlagen. Dort stand auch
unser Schaukelpferd, das weder Schwanz noch Ohren hatte, und
wir nannten es deshalb „unser armes Pferd“. In unserer
Fantasie ritten wir mit ihm jedoch im „Schweinsgalopp“ über
Wiesen und Felder. Meistens gesellte sich
unsere kleine Cousine dazu. Deren größerer Bruder hatte es
nicht so mit uns, der spielte lieber mit seinem Freund
„Heilige Messe“. Dieser war nämlich als Kind schon sehr
fromm und fest
davon überzeugt, wenn er einmal groß sei, Pastor zu werden.
Die beiden anderen Jungen (Herbert`s Brüder) fühlten sich
mit ihren 12 und 13 Jahren schon zu erwachsen für uns und
schraubten mit den verbliebenen Überresten eines Märklin-Baukastens
Fantasiegebilde zusammen, die wir auf keinen Fall anfassen
durften! Nikolaus-Abend war für
unsere Begriffe schon ewig vorbei und wir konnten nicht
glauben, dass es bis zu dem
Tag, an dem das Christkind kommt, so lange dauern
könnte. Immer wieder quälten wir die Erwachsenen mit der
Frage. Wie lange denn noch?? Bald,
war die Antwort, könnt ihrs denn nicht erwarten? Und immer mal
wieder hörten wir sie auch sagen: „Diesjahr ist das
Christkind arm – nicht mal ein bisschen Weißmehl, kaum ein
bisschen Zucker.. es wird wohl auch keine Geschenke
mitbringen.“ Jedes Mal sank uns der Mut. Aber mein Cousin
und ich
trösteten uns gegenseitig und bestätigten uns selbst, wie
brav wir doch seien, und braven Kindern bringt das
Christkind was! So hatte es der Nikolaus versprochen, der
selbst nur ein paar Nüsse ins Zimmer geworfen und Ruten
verteilt hatte.
An manchen Nachmittagen waren unsere Mütter
bei Oma in der Küche versammelt und wir Kinder durften
keinesfalls vom Spielen hereinkommen, ehe wir nicht gerufen
wurden. Ein süßer, vielversprechender Duft schwebte dann in
der Küche, und wir fragten uns: ob das Christkind vielleicht
doch gebacken hat? Endlich war dann der
Heilige Abend gekommen. Das war vielleicht ein langer
Tag! Die Zeiger der Kirchturmuhr wollten und wollten nicht
vorrücken, und wir wussten nichts mit uns anzufangen. Die
Erwachsenen konnten uns auch nicht gebrauchen; sie waren
emsig mit allerlei geheimnisvollen Dingen beschäftigt und
flüsterten viel miteinander. Opa und mein Onkel „Baddiss“
werkelten noch unten in der Futterküche herum – da durften
wir nicht hin. Oma, Mama und die Tanten waren dauernd in der
guten Stube verschwunden. Da durften wir auch nicht
hin. Mein Papa, dessen
Spezialität das Erzählen von Tierfabeln war, versuchte, uns
die Zeit mit Geschichten zu vertreiben, aber an diesem Tag
konnten weder Hase und Fuchs, noch Bär und Wolf uns fesseln. Als es dann endlich
dunkel wurde, waren alle mit ihrem geschäftigen Treiben
fertig geworden und die ganze Familie versammelte sich in
Omas Küche: Die Erwachsenen redeten und redeten und wir
Kinder vergingen fast vor Ungeduld. Auf einmal sagte mein
Papa: „Ich will doch mal nachsehen, ob das Christkind nicht
bald kommt“ und
verließ die Küche in Richtung gute Stube. Als er endlich
wiederkam meinte er, nun sei es wohl bald soweit.
Horch! Hatte da
nicht ein Glöckchen geklingelt? Wir wussten kaum, ob wir uns
trauen sollten, ins Wohnzimmer zu gehen, wurden dann aber
doch ermutigt. Opa machte die Tür auf und wir spitzten
an ihm vorbei und konnten alle nur sagen:
Aaaah.... und Ooooh!
Das Fenster stand noch einen
Spalt breit offen und Papa nahm das als Bestätigung, dass
das Christkind soeben wieder weggeflogen sei. Und
was hatte es uns alles dagelassen! Ein geschmückter
Tannenbaum strahlte im Kerzenschein so schön, wie ich noch
nie einen gesehen hatte. Dass es nur die Kerzenstummel der
Vorjahre waren, merkten wir Kinder ja nicht.
Und noch mehr Wunder: für jedes von uns
Kindern ein Christkindchenteller mit einem rotglänzenden
Apfel, mit Nüssen und den schönsten Plätzchen, die man sich
nur denken konnte. Und außerdem...... da standen auch noch
Päckchen und andere Sachen zugedeckt unter dem
Weihnachtsbaum. Man konnte die Herrlichkeiten gar nicht
fassen. Dann mussten die Kerzen
schon wieder ausgeblasen werden und endlich, endlich wurden
auch die Gaben ausgeteilt, die das Christkind gebracht
hatte. Herbert und seine beiden Brüder packten gestrickte
Pudelmützen und Fausthandschuhe aus, die sie alle sofort
anzogen und kurz am geöffneten Fenster ausprobieren durften.
Ich bekam einen kleinen Tisch und ein Stühlchen und mir fiel
ein, dass in der letzten Zeit der Schreiner mal bei Opa
gewesen und dann mit einem Päckchen unter dem Arm
fortgegangen war.
Mein Cousin Theo - der mit dem
frommen Freund - erkannte seinen alten Schlitten - der
eigentlich unbrauchbar gewesen war - unter dem
Weihnachtsbaum wieder. Er staunte nicht schlecht: der
Schlitten hatte neue Kufen!
Wer weiß, womit Opa den Dorfschmied davon überzeugt
hatte, dass ein Schlitten ohne ordentliche Kufen zu nichts
zu gebrauchen ist! ? Meine kleine
Cousine Helga fand ihre altbekannte Puppe wieder, die sie
seit einiger Zeit vermisst hatte. Diese hatte ein schönes
neues Kleid bekommen. „ Das ist ja ein Hemdkleid“ rief meine
Cousine. Sie war eine ganz Gewitzte und hatte gleich
erkannt, dass das Puppenkleid aus dem Rückenstück von Opas
altem Hemd geschneidert war. Wir waren alle ganz
aus dem Häuschen vor Freude.
Die Erwachsenen bekamen keine
Geschenke. Sie waren zufrieden und froh, weil wir Kinder
glücklich waren und Opa meinte, nun müssten wir doch noch
ein Lied singen und er stimmte an:
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Historische
Weihnachtsgeschichte
Wahre Geschichte aus Saarbrücken 1945, von der Autorin festgehalten. Alt-Saarbrücken wurde im zweiten Weltkrieg schwer getroffen, die historische Ortsmitte (Nanteser platz) völlig zerstört. Große Teile um St. Johann wurden weniger getroffen. ![]() |
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