Eine denkwürdige Herbergsuche

Eckhard Leyser

als Schulgeschichte für den Religionsunterricht geeignet

oder als christliche Weihnachtsgeschichte für Kinder ab 7 Jahre und als Familiengeschichte

Weihnachten nahte, das Fest der Liebe und der Geburt Jesu. Für Jonas war das Weihnachtsfest einfach das Höchste. Am meisten freute er sich auf den geschmückten Weihnachtsbaum, das Licht der vielen Kerzen und den Duft von frisch gebackenem Weihnachtsgebäck.

Besonders wichtig war für ihn, dass er in diesem Jahr wieder beim Spiel der Herbergssuche mitmachen durfte. Als Viertklässler der Grundschule war dies wohl zum letzten mal, da er danach zu einer anderen Schule wechseln würde. Er spielte den Wirt bei der Herbergssuche von Maria und Josef, nicht gerade die Hauptrolle aber dennoch wichtig für die Handlung. Wochenlang hatten sie auf der Bühne des Bürgerhauses geprobt. Frau Müller, seine Klassenlehrerin, legte besonderen Wert auf gute Aussprache und ein glaubwürdiges Auftreten.

Pfarrer Lehmann hatte sie im Religionsunterricht noch einmal intensiv eingestimmt auf die besondere Situation von Maria und Joseph, die sich vor 2000 Jahren abgespielt hatte. Er zog auch Parallelen zu heute, wo immer noch auf der ganzen Welt Flüchtlinge unterwegs seien, denen niemand helfen würde. Das beeindruckte Jonas sehr, denn er kam aus seiner sehr sozial eingestellten Familie. Seine Mutter half regelmäßig bei der Bad Dürkheimer Tafel aus und verteilte Essen an Bedürftige. Sein Vater war ehrenamtlich bei der Feuerwehr Maxdorf und bei den meisten Einsätzen immer einer der Ersten am Einsatzort ohne Rücksicht auf Schlaf oder Gesundheit.

jesus und maria

Endlich kam der 4. Adventssonntag. Pünktlich trafen Schüler und Lehrer im Bürgerhaus ein, um noch einmal zu prüfen, ob auch alles klappen würde.

Etwas später kamen nacheinander die restlichen Schüler mit ihren Lehrern hinzu. Der Saal füllte sich zusätzlich mit Eltern, Großeltern, Verwandten und Gästen. Viele hatten Kameras und Camcorder dabei, um das Ereignis festzuhalten. Die Stimmung war aufgeregt und von angespannter Erwartung geprägt.

Die Gespräche schwollen zu einem immer stärkeren Summen an, weil sich die Menschen so viel zu sagen hatten. Viele winkten ihren Kindern auf der Bühne zu, um zu zeigen, dass sie sich auf die Vorführung freuten. Auch Jonas Eltern waren erschienen.

Endlich bat die Schuldirektorin Frau Beckmann energisch um Ruhe. Sie begrüßte alle Gäste und bat Frau Müller, mit dem Stück zu beginnen. Die Bühne war herrlich geschmückt mit Bäumen, Kerzen, Weihnachtssternen und einer bunten Häuserkulisse. Blickfang war im Schatten eines stattlichen Weihnachtsbaumes ein heimeliger Stall mit Kindern, die sich als Ochsen, Esel und Schafe verkleidet hatten. In der Mitte stand eine kleine hölzerne Krippe. Als erstes sang der Kinderchor.

Teresa schilderte anschließend zur Einstimmung aus dem Lukas-Evangelium, in welcher Notlage Maria und Joseph sich damals befanden. Maria war hochschwanger und die Stadt völlig überfüllt. Anna spielte die verzweifelte Maria und Sven den überaus besorgten Joseph. „Wie geht es Dir Maria?“ fragte er mit eindringlichem Blick auf sein Weib, die ihm antwortete „Ich kann nicht mehr lange, Joseph. Komm wir versuchen, eine Unterkunft zu finden.“ Als erstes klopften sie an die Tür des Schmiedes. Patrick, der den Schmied darstellte, öffnete die Tür und stellte sich breitbeinig davor. Er hatte ein geschwärztes Gesicht und zeigte eine grimmige Miene. In der Hand hielt er einen großen Hammer. „Was wollte ihr denn mitten in der Nacht“ fragte er mit lauter und drohender Stimme. „Oh Herr“, bat Joseph mit weicher Stimme, „mein Weib ist hochschwanger. Wir suchen eine Bleibe nur für eine Nacht. Habt Erbarmen mit uns!“. „Ich habe für Gesindel wie euch keinen Platz! Macht, dass ihr wegkommt!“ Sprach’s und schlug die Tür so fest zu, dass ein Baum aus der Dekoration umfiel. Einige Kinder aus dem Publikum lachten, doch Jonas war erschrocken über so viel Herzlosigkeit. Er hatte zwar die Szene schon oft in den Proben erlebt, doch es ging ihm immer noch sehr an sein weiches Gemüt. Der Kinderchor sang ein kleines Lied über die Herbergssuche während sich Maria und Joseph zum nächsten Haus aufmachten.

Dieses mal klopften sie beim Bäcker, der von Lukas gespielt wurde. Er war ganz weiß angezogen und staubig vom Mehl. „Wer stört mich mitten in der Nacht“ polterte er „Ich muss Brot backen für die vielen hungrigen Mäuler!“. „Habt Erbarmen, Herr“ jammerte Joseph. „Mein Weib kommt heute Nacht nieder und wir haben keine Unterkunft!“ „Mit mir hat auch niemand Erbarmen“ entgegnete der Bäcker schroff. Schafft euch fort, sonst lasse ich die Hunde los!“ Maria und Joseph zuckten zusammen und hielten sich an den Händen, als wenn sie sich gegenseitig schützen wollten.

Wieder sang der Kinderchor eine Strophe. Nun begaben sich Maria und Joseph zum dritten und letzten Haus, das von Jonas besetzt war. Er spielte den Wirt und sah sehr glaubwürdig aus mit seiner speckigen Schürze und dem Küchentuch über der Schulter. „Wir sind ganz verzweifelt und am Ende, gebt uns doch ein Obdach nur für eine Nacht!“ sprach Joseph und sah Jonas eindringlich an. Maria hielt ihren Leib und lehnte sich an Joseph. Jonas traute seinen Augen nicht. Maria weinte sogar und vergoss dicke Tränen, die ihre Wangen herunter liefen.

Jonas spürte, wie sich sein Magen verkrampfte und seine Hände zitterten. Er wusste, dass er nun als erstes sagen musste: Schert euch weg, ihr Lumpenpack! Ihr habt mit gerade noch gefehlt. Kein Geld, die Frau hochschwanger und dann noch unverschämt werden! Danach sollte er sie in den Stall verweisen, wo sie zwischen den Tieren nächtigen sollten. Doch er brachte kein Wort heraus. Frau Müller, seine Lehrerin, hatte das Buch mit dem Text vor sich und formte mit ihren Lippen unhörbare Worte. Die anderen Kinder zischten und flüsterten ihm den Text zu, doch Jonas wollte nicht. Er spürte, dass hier etwas Entscheidendes passierte.

Er spürte wie ihm sein Herz bis zum Halse schlug. Doch er holte tief Luft und sagte laut und deutlich: „Nein, ich werde euch nicht abweisen. Es kann nicht sein, dass unser lieber Heiland in einem Stall zur Welt kommen muss. Bitte nehmt mein Zimmer und mein Bett. Mein Weib und ich können uns für eine Nacht behelfen. Ich will dafür sorgen, dass es euch an nichts fehlt!“ Sprach’s, machte die Tür weit auf und umarmte dass Paar.

Maria und Joseph waren sichtlich perplex, ließen sich aber umarmen und standen schließlich verwirrt da angesichts dieser außergewöhnlichen Entwicklung. Sie schauten zu Frau Müller, die mit offenem Mund und kerzengerade aufgerichtet auf ihrem Regieplatz saß. Die anderen Kinder auf der Bühne waren ebenfalls sprachlos. Die verkleideten Ochsen, Esel und Schafe kamen aus ihrem Stall, um Jonas mit Maria und Joseph zu sehen. Die Engel, die Hirten und der Chor schlossen sich an. Alle Besucher im Saal waren aufgestanden. Schließlich löste sich die Spannung und Applaus kam auf, der sich schnell zu einer ohrenbetäubenden Ovation mit Bravo-Rufen steigerte.

Die Schuldirektorin betrat die Bühne und wartete, bis der Applaus abebbte. Sie meinte, dass heute etwas ganz Besonderes geschehen sei. Jonas sei offenbar so ergriffen gewesen, dass er die Bitte von Maria und Joseph nicht abschlagen konnte. „Stimmt’s Jonas? Jonas antwortete, noch ganz benommen von der Situation: „Ich konnte einfach nicht mehr nein sagen, es tut mir leid.“

„Aber nein“, meinte die Direktorin und strich Joans sanft über das Haar. „Das muss dir nicht leid tun. Dein Beispiel sollte uns vielmehr zu denken geben, dass auch heute Mitleid viel zu selten vorkommt und der Egoismus die Oberhand behält. Nehmen wir uns Jonas zum Vorbild und hören wir mehr auf unser Herz! Ich danke allen Mitwirkenden und wünsche Ihnen nun Fröhliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr!“

Lang anhaltender Beifall folgte. Jonas wurde von einigen Vätern auf die Schultern genommen und im Triumphzug von der Bühne getragen. Sein Vater klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Seine Mutter umarmte und küsste ihn.

Aber auch im Publikum zeigte sich eine sonderbare Verwandlung. Fast alle Menschen gaben sich spontan die Hand und wünschten sich gegenseitig fröhliche Weihnachten. Manche umarmten sich sogar.

Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll von dieser denkwürdigen Herbergssuche. Viele Pfarrer gingen auf dieses Ereignis in ihren Weihnachtspredigten ein und appellierten für mehr Nächstenliebe unter den Menschen.

Jonas studierte übrigens später Pädagogik und ging nach Afrika als Entwicklungshelfer, wo er seine Bestimmung fand.

Der Christbaum stand mitten in der Kammer, so groß, dass  er sie ganz ausfüllte, und nun tanzten die Hirten und Hirtinnen rundherum, und Veva tanzte auch mit zwischen Lenchen und Trinchen. Als sie sich müde getanzt hatten, ging Veva ohne Zagen an die Krippe, sah das strahlende Kindlein an und beugte sich mit all der Lust ihres kindlichen zarten Gemüts tief zu ihm hinunter und flüsterte ganz leise, sagte es sogar zweimal: „Christkind, Mutter bittet dich, du sollst nächstes Jahr zu uns kommen!“ Und Veva sah deutlich, dass  das Kindlein freundlich nickte und lächelte.



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